Wer durch das 'arrière pays', das einsame Hinterland der Côte
d'Azur, wandert, bleibt verschont von den
gewaltigen Touristenmassen, die nur wenige Kilometer weiter südlich
den schmalen Küstenstreifen bevölkern - ist dort unterwegs,
wohin es früher das wohlhabende Bürgertum zog, wenn es am
Meer zu heiß wurde.
Mediterranes schwappt dennoch über,
allerdings nur in angenehmsten Ausformungen: das vom Mittelmeer geprägte
Klima läßt zu, die Wandersaison von März bis weit in
den Oktober hinein auszudehnen, in den tiefen Lagen könnte man
Oliven direkt vom Baum pflücken und an manchen Stellen erinnert
die Landschaft auch ein wenig an die Toskana. Dabei durchstreift man
auf dem GR 52A noch immer die Alpen - deren südlichste Ausläufer
man hier zu Recht auch 'Alpes d'Azur' nennt.
Der 1979 geschaffene Parc National du Mercantour
ist als jüngster der sechs französischen Nationalparks als
'Zwei-Zonen-Park' angelegt: Um eine innere, unbewohnte und besonders
geschützte Zone von 68 500 ha schließt sich eine äußere
Zone, die sich vom Col de Tende im Osten bis zum Col d'Allos im Westen
erstreckt.
Durch diese äußere Zone verläuft
der Panoramaweg des Mercantour, was den Vorteil
hat, dass man am Ende einer jeden Etappe Unterkünfte vorfindet,
die im Gegensatz zu den vom französischen Alpenverein (CAF) betriebenen
Hütten der inneren Zone das gesamte Jahr über geöffnet
sind. Den höchsten Punkt der Wanderung erreicht man am Col de Champs
(2.045m), den niedrigsten in Breil-sur-Roya (290m) - wer also Wert darauf
legt, stets 'oberhalb der Baumgrenze' zu wandern, wird auf diesem Weg
wohl nicht auf seine Kosten kommen und besser auf einen der beiden 'großen
Brüder' des GR 52A (GR 5 oder GR 52) ausweichen.
Dafür besteht auf diesem Weg aber die
Möglichkeit, sich ein Bild zu machen von der Unterschiedlichkeit
der vielen Täler, aus denen dieses Hinterland besteht. Die ersten
Etappen verlaufen vom Col de Tende nach Süden durch das
Royatal, das so viele 'Alleinstellungsmerkmale'
aufweist (sprich: so interessant ist), dass wir nicht umhin konnten,
es ausführlich zu beschreiben. Über Sospel, früher wichtiger
Etappenort an der Salzstraße - hier ruhte bereits Papst Pius VII.
im August 1809, bevor er auf seinem Weg ins Exil in einer Sänfte
über den Col de Tende getragen wurde - und den Col de Turini gelangt
man in das Vésubietal, das heute noch mit einigen Belle-Epoque-Bauten
an die glorreichen Tage des Suisse Niçoise erinnern läßt.
Danach wird es deutlich einsamer. Auf
dem Weg durch Vallée de la Tinée, Vallée du Cians,
Vallée du Var bis in das Vallée du Verdon verläuft
der GR52A durch Regionen, in denen die Menschen jahrhundertelang durch
Ackerbau und Viehzucht in fast völliger Autarkie lebten, steilen
Hängen Ackerterrassen abrangen und kunstvolle, kilometerlange Kanäle
zur Bewässerung anlegten. Geblieben sind einsame kleine Dörfer,
die heute durch Abwanderung kaum mehr als eine Handvoll permanenter
Bewohner aufweisen und in deutschsprachigen Reiseführern in aller
Regel nicht einmal vorkommen.
Dabei gibt es noch viel zu entdecken,
wunderschöne kleine Kapellen, noch gut erhaltene Gemeindeöfen
und Häuser mit nach Süden hin offenen Dachböden, den
Souleiaires', bevor am Col de Champs die Grenze zum Département
Alpes de Haute-Provence überschritten wird. Früher (bis 1793
und wieder von 1815 bis 1860) befand sich dort die Grenze zwischen Frankreich
und dem zum Königreich Piemont-Sardinien gehörenden Savoyen
- was auch die Existenz des Fort du Savoie ganz am Ende der Wanderung
in Colmars-les-Alpes erklärt. Vauban,
der Festungsbaumeister Ludwig XIV., hatte auch hier die Grenzen Frankreichs
sichern lassen.
Die Wegbeschreibung und zusätzliche Varianten, Hinweise zu Übernachtungsmöglichkeiten
- aber auch viele Hintergrundinformationen findet sich in unserem Wanderführer
'GR 52A - Le
Sentier Panoramique du Mercantour'.
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Blog-Artikel Seealpen]
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